Klare Vorstellungen der österreichischen Lack- und Druckfarbenindustrie zum neuen Clean Industrial Deal

Nach der Europawahl im Sommer 2024 hat sich auf EU-Ebene bereits eine neue politische Landschaft formiert. Auch der europäische Gesetzgeber hat eingesehen, dass die Industrie mit einer Lawine an bürokratischen Vorschriften, insbesondere im ESG-Bereich massiv leidet und an Wettbewerbsfähigkeit verliert.

Ursula von der Leyens neue Kommission wurde vom Europäischen Parlament mit klarer Mehrheit bestätigt und hat am 1. Dezember die Arbeit aufgenommen. Die Kommissionspräsidentin kündigte an, in den ersten 100 Tagen ihrer Amtszeit einen Clean Industrial Deal zu konkretisieren. Ergänzend wurde ein neues Paket für die chemische Industrie angekündigt, das unter anderem REACH vereinfachen, die Kreislaufwirtschaft fördern und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie stärken soll.

Die Lack- und Druckfarbenindustrie hat gemeinsam mit europäischen Verbänden (VdL, CEPE) dazu konkrete Vorschläge erarbeitet und in einem Forderungspapier für die Chemikalienpolitik der kommenden Legislaturperiode zusammengefasst.

 

Status quo: Wachsende Herausforderungen

Die österreichische Lack- und Druckfarbenindustrie ist mit einer steigenden Zahl komplexer Vorschriften und Berichtspflichten konfrontiert. Dieser regulatorische Druck bindet Ressourcen und gefährdet Innovationen, da Forschung und Entwicklung zunehmend auf die Erfüllung gesetzlicher Vorgaben fokussiert werden müssen. Zudem führen bestehende und geplante Maßnahmen der Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit (CSS) zu einer Verknappung der Rohstoffbasis. Die Folge: Produktionsverluste, Funktionalitätseinbußen und eingeschränkte Wettbewerbsfähigkeit.

 

Notwendigkeit eines Paradigmenwechsels

Wir fordern eine effizientere Gesetzgebung und einen pragmatischen Ansatz, um die Funktionalität chemischer Produkte zu sichern und Innovationen zu fördern. Konkret müssen bürokratische Belastungen reduziert und die bestehenden Vorschriften überprüft werden.

  • Fokus auf Umsetzung statt neuer Regeln-Stop the Clock
    Die im Rahmen des Green Deals bereits beschlossenen Vorschriften müssen praktikabel umgesetzt werden. Bevor neue Maßnahmen ergriffen werden, sollten deren Auswirkungen umfassend evaluiert und geprüft werden, ob der bestehende Regelungsaufwand reduziert werden kann.
  • Wettbewerbsfähigkeit sichern
    Statt sich ausschließlich auf Schlüsseltechnologien zu konzentrieren, sollte die Wettbewerbsfähigkeit der gesamten Industrie berücksichtigt werden, da Branchen wie die Lack- und Druckfarbenindustrie mit essenziellen Produkten zur grünen Transformation beitragen, deren Bedeutung jedoch oft unterschätzt wird.
  • Wissenschaft und Politik verknüpfen
    Gesetzgebungen müssen auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren, wobei auch soziale und wirtschaftliche Folgen berücksichtigt werden sollten. Ein risikobasierter Ansatz ist entscheidend, um Innovationen nicht durch pauschale Verbote zu blockieren.

 

Empfehlungen für spezifische Regelungen

  • REACH: Die Notwendigkeit einer vollständigen Überarbeitung der komplexen REACH-Verordnung sollte neu bewertet und eine gründliche Folgenabschätzung durchgeführt werden, um sicherzustellen, dass die Regelungen sowohl effektiv als auch praktikabel sind.
  • ESPR: Realistische Anforderungen an Kleine und Mittlere Unternehmen (KMU) und eine schrittweise Einführung von Fußabdruckdaten sind notwendig.
  • PPWR: Recyclierbarkeit und Lebenszyklusbetrachtung müssen im Fokus stehen. Unrealistische Ziele, wie 100 % Wiederverwendungsquoten, sind zu vermeiden.
  • CLP: Es ist notwendig, praktikable Anforderungen an die Schriftgröße festzulegen, da diese die Etikettengestaltung, Logistik und Lagerung erheblich beeinflussen und somit hohe Kosten und Aufwand für Unternehmen verursachen. Darüber hinaus sind realistische Übergangsfristen unerlässlich, da Änderungen in der Selbsteinstufung die gesamte Lieferkette betreffen

 

Gemeinsam mit europäischen Lack- und Druckfarbenverbänden wurden Leitlinien für die Chemikalienpolitik in der EU-Legislaturperiode 2024–2029 erarbeitet. Es wird eine Umsetzungspolitik gefordert, die die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationsfähigkeit der chemischen Industrie stärkt, Bürokratie abbaut, und eine differenzierte, risikobasierte Regulierung verfolgt, um die grüne Transformation zu unterstützen und die Funktionalität chemischer Produkte sicherzustellen.

Bezüglich Presseaktivitäten stehen wir in engem Kontakt mit dem VdL und CEPE.

Forderungen der europäischen Lack- und Druckfarbenindustrie an das Chemikalienpaket der EU

Das ohnehin schwierige politische, wirtschaftliche und soziale Umfeld, in dem europäische Unternehmen tätig sind, wird durch den EU-Rechtsrahmen noch erschwert. Allein der EU Green Deal hat seit 2019 zu mindestens 20 wichtigen Gesetzgebungs- und 80 Durchführungsrechtsakten geführt. Diese Verordnungen und Richtlinien legen zusätzliche Pflichten und Berichtspflichten fest, was zu einem noch nie dagewesenen Maß an Bürokratie führt. Dies trifft die Lack- und Druckfarbenindustrie, insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU), unverhältnismäßig stark und zieht kostspielige Ressourcen von der Innovation und dem Kerngeschäft ab.  

Mit schätzungsweise 4.000 unter REACH registrierten Stoffen ist die Farben-, Druckfarben- und Künstlerfarbenindustrie der größte nachgeschaltete Anwender von Chemikalien und daher am stärksten von den Entwicklungen in der Chemikalienpolitik, insbesondere der Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit (CSS), betroffen. Die Verlagerung von einem risikobasierten zu einem gefahrenbasierten Ansatz bedeutet, dass die Anzahl der verfügbaren Rohstoffe abnimmt, was die Unternehmen dazu zwingt, einige kritische Funktionen wie Temperatur-, Witterungs-, Biege- oder Korrosionsbeständigkeit oder die Schutzfähigkeit von Lebensmitteln und Trinkwasser neu zu formulieren und möglicherweise zu verlieren. 

Vor diesem Hintergrund hat CEPE die Erklärung von Antwerpen unterzeichnet, in der die Annahme eines EU-Industriedeals zur Ergänzung des Grünen Deals gefordert wird. CEPE begrüßt die Berichte Letta und Draghi, in denen neben Reformen zur Straffung der Vorschriften und zur Stärkung des Binnenmarktes auch Investitionen gefordert werden, um die Wettbewerbsfähigkeit der EU und ihrer Industrie zu verbessern.  

Das bevorstehende EU-Abkommen über umweltverträgliche Industrie und das Paket für die chemische Industrie 

Nach ihrer Ernennung im Dezember 2024 hat die Europäische Kommission 100 Tage Zeit, um ihren Clean Industrial Deal und das Paket für die chemische Industrie vorzulegen. Die Vorschläge seitens CEPE für einen der Wettbewerbsfähigkeit förderlichen Rahmen lauten: 

  • Umsetzung und Durchsetzung aller bestehenden Rechtsvorschriften
    Dies sollte der Ausgangspunkt für die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der EU-Unternehmen sein. Eine Überarbeitung sollte erst vorgeschlagen werden, wenn eine vollständige Bewertung der bestehenden Maßnahmen durchgeführt wurde. Ein gutes Beispiel ist die Verordnung über Verpackungen und Verpackungsabfälle, die neue Ziele festlegt, bevor die bestehenden Ziele erreicht sind. Es ist auch von größter Bedeutung, gleiche Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen mit Sitz in der EU und außerhalb der EU zu gewährleisten.  
  • Gut konzipierte Rechtsvorschriften
    Bei neuen Rechtsvorschriften oder Überarbeitungen bestehender Rechtsvorschriften ist es wichtig, dass alle Elemente von der Konzeption über die Umsetzung bis hin zur Durchsetzung bewertet werden. Bis zu einer vollständigen Bewertung der einschlägigen Rechtsvorschriften sollten keine zusätzlichen Maßnahmen vorgeschlagen oder eingeführt werden, um Doppelarbeit oder Verpflichtungen gegenüber denjenigen zu vermeiden, die nicht in den Geltungsbereich der Verordnung fallen. So fallen beispielsweise kleinere Unternehmen nicht unter die Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen, haben aber einen Anstieg der Anforderungen an die Berichterstattung erlebt, da ihre Lieferanten oder Kunden diese einhalten müssen. Eine ähnliche Situation ist bei der Einführung des digitalen Produktpasses im Rahmen der Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte möglich. Der Entscheidungsprozess sollte vollständig transparent sein, unter Einbeziehung aller Interessenträger und unter Einbeziehung gründlicher Folgenabschätzungen. Für alle chemikalienbezogenen Maßnahmen bedeutet dies eine Folgenabschätzung für die nachgeschalteten Anwender von Chemikalien.  
  • Bürokratieabbau
    Das Niveau der Melde- und Verwaltungsanforderungen steigt aufgrund der immer strengeren Gesetzgebung sowie der vielfältigen Meldepflichten überproportional an. Die Verpflichtung der EU, den bürokratischen Aufwand für Unternehmen um 25 % zu verringern, muss umgesetzt werden und muss auch die Rechtsvorschriften im Bereich Chemikalien umfassen. 

Für das Paket für die chemische Industrie fordert die Europäische Lack- und Druckfarbenindustrie: 

  • Die Rückkehr zu einem risikobasierten Ansatz für chemikalienbezogene Politiken
    Bei allen chemikalienbezogenen Politiken und Entscheidungen würde ein risikobasierter Ansatz sicherstellen, dass die EU-Industrie weiterhin Produkte in der EU herstellen kann, die andernfalls von außerhalb der EU importiert würden – mit einem erhöhten Sicherheitsrisiko.  
  • Eine Überprüfung der Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit
    Mehrere Schlüsselkonzepte und Vorschläge, die in der Koordinierungsstelle dargelegt sind, wie zB der generische Ansatz für das Risikomanagement (hazard-based approach), der Mixture Assessment Factor (MAF) und das Konzept der "wesentlichen Verwendung" sind besonders besorgniserregend. Diese Konzepte sind umstritten und werden nicht von der gesamten wissenschaftlichen Gemeinschaft unterstützt.  
  • Ein vorsichtiger Ansatz für eine Vereinfachung von REACH
    Allen Änderungen der REACH-Verordnung müssen gründliche Folgenabschätzungen vorausgehen und auf einem wissenschaftlichen Konsens beruhen. Die Möglichkeit einer gezielten Überarbeitung durch abgeleitetes Recht sollte in Betracht gezogen werden. Es ist zu beachten, dass generische und pauschale Ansätze, wie zB allgemeine Verbote chemischer Stoffe, keine Vereinfachungen für Unternehmen darstellen.  

Vor diesem Hintergrund fordert die österreichische Lack- und Druckfarbenindustrie die Europäische Kommission auf, dafür zu sorgen, dass der bevorstehende Clean Industrial Deal den Weg für europäische Unternehmen ebnet, die Ziele des EU Green Deal zu erreichen und gleichzeitig ihre Wettbewerbsfähigkeit wiederzuerlangen.  

Brüssel/Wien, Jänner 2025
Bezüglich Presseaktivitäten stehen wir in engem Kontakt mit dem VdL