Endgültige Entscheidung wird im Sommer 2025 erwartet.

EuGH hebt Verordnung zur Einstufung von TiO2 als nichtig auf

In einer am 23.11.2022 veröffentlichten Entscheidung des EuGH wurde die EU-Verordnung zur Einstufung von TiO2 als nichtig erklärt. Gegen diese Entscheidung hat die EU-Kommission und einige Mitgliedsländer Berufung eingelegt. 

Am 6. Februar 2025 wurde nun die Stellungnahme der zuständigen Generalanwältin kundgemacht, die dem EuGH vor Verkündigung der endgültigen Entscheidung vorzulegen ist. In vielen Fällen folgt der Gerichtshof dieser Empfehlung, aber nicht in allen. Unverständlicherweise und mit fragwürdiger Logik empfiehlt die Generalanwältin die Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils, mit dem das Erstgericht die Einstufung von TiO2 als kanzerogen Kat. 2 aufgehoben hat. Das Argument dabei ist, dass die Entscheidung eines wissenschaftlichen Gremiums, das sich für die Einstufung von TiO2 mehrheitlich aussprach, von einem Gericht nicht überprüft werden kann. 

Es ist zu hoffen, dass der EuGH dieser Meinung nicht folgt und das erstinstanzliche Urteil endgültig bestätigt. Das endgültige Urteil wird im Sommer 2025 erwartet.

Aufgrund von veralteten Studien an Ratten, die unter Bedingungen durchgeführt wurden, die den aktuellen Testlinien der EU nicht mehr entsprechen, stufte die europäische Kommission Titandioxid – das wichtigste Weißpigment der Lackindustrie – als „möglicherweise krebserregend beim Einatmen“ ein. Diese Einstufung hätte Konsumenten durch verpflichtete Kennzeichnungen in die Irre geführt, da Titandioxid im flüssigen Lack gebunden ist und logischerweise nicht eingeatmet werden kann.

Nun hat das Gericht der Europäischen Union (EuG) die Verordnung der EU-Kommission aus dem Jahr 2019 für nichtig erklärt, soweit sie die harmonisierte Einstufung und Kennzeichnung von Titandioxid in bestimmten Pulverformen als karzinogener Stoff beim Einatmen betrifft. Der FCIO hatte die Einstufung des Weißpigments durch die EU-Kommission von Anfang an kritisiert und als eine der hauptbetroffenen Industrien die klagenden Unternehmen vor Gericht, unter anderem auch mit einem toxikologischen Gutachten, unterstützt. Die österreichische Lackindustrie hat eine Klagsgemeinschaft gebildet und mit der Fa. Rembrandtin als Kläger diese Einstufung bekämpft. Sie hat sich dem Verfahren als Streitgenosse angeschlossen. Klaus Schaubmayr, Geschäftsführer der Berufsgruppe der Lack- und Anstrichmittelindustrie im FCIO, begrüßt das Gerichtsurteil ausdrücklich: „Wir freuen uns sehr, dass mit dem Urteil für unsere Unternehmen Rechtssicherheit geschaffen wurde und hoffen sehr, dass bei zukünftigen Einstufungen von Stoffen mehr auf eine valide Datenlage gesetzt wird.“

Mit dem Urteil wird bestätigt, dass im vorliegenden Fall das Erfordernis, dass die Einstufung eines karzinogenen Stoffes auf zuverlässigen und anerkannten Untersuchungen beruhen muss, nicht erfüllt ist. Weiters stellt das Gericht fest, dass die angefochtene Einstufung und Kennzeichnung gegen das Kriterium verstoßen hat, wonach sich die Einstufung eines Stoffes als karzinogen nur auf einen Stoff mit der intrinsischen Eigenschaft, Krebs zu erzeugen, beziehen darf. Das bedeutet, dass die Gefahr von der Substanz selbst ausgehen muss und nicht von Staub oder Pulver generell. Hierfür gibt es keinen Beweis.

Insbesondere durch die Ausführungen des EuG zu den intrinsischen Eigenschaften von Stoffen und den Anforderungen hinsichtlich des wissenschaftlichen Nachweises von Gefahren, fühlt sich der FCIO in seiner Rechtsansicht bestätigt, dass die Einstufung von Titandioxid als „vermutlich karzinogen beim Einatmen“ und die damit verbundene Kennzeichnungspflicht für den Stoff sowie pulverförmige, feste und flüssige Gemische, als rechtswidrig anzusehen waren.

Das Weißpigment Titandioxid kann also weiterhin sicher in Lacken und Farben verwendet werden. Der Stoff wird seit rund hundert Jahren kommerziell eingesetzt und derzeit in Mengen von bis zu 10 Millionen Tonnen pro Jahr in Europa hergestellt oder verarbeitet. Zehntausende Arbeiter weltweit und Millionen Konsumenten kommen tagtäglich mit Titandioxid in Kontakt. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass eine krebserregende Wirkung bei einer solch weitreichenden Exposition bislang verborgen geblieben wäre.

24.11.2022

 

Europäisches Gericht in Luxemburg hört Argumente für und wider die Einstufung von Titandioxid unter der CLP-Verordnung - FCIO unterstützt durch Organisation einer Prozessgemeinschaft

Am 1. Oktober 2021 sind neue EU-Regelungen in Kraft getreten, wonach Gemische, die Titandioxid enthalten, mit bestimmten Gefahrenhinweisen gekennzeichnet werden müssen. Mehrere Unternehmen, darunter Unternehmen der Lack- und Druckfarbenindustrie, hielten eine gerichtliche Überprüfung dieser EU-Regulierung für angebracht. Als Kläger bzw. Streithelfer haben sich an den insgesamt drei Gerichtsverfahren neben Europäischem Parlament und Rat auch deutsche Unternehmen der Lack- und Druckfarbenindustrie sowie die österreichische Lack- und Anstrichmittelindustrie beteiligt.

Der FCIO hat dazu eine Prozessgemeinschaft organisiert, um die Kosten für die Unternehmen zu minimieren und auch ein toxikologisches Gutachten beigestellt, das vom EuGH gewürdigt wurde und Eingang in die Entscheidung finden wird.

Neben verfahrensrechtlichen Fehlern rügten die Unternehmen der Lack- und Anstrichmittelindustrie insbesondere die unzureichende wissenschaftliche Grundlage für die Einstufung, wie auch die mangelhafte Folgenabschätzung der Regulierung. Es wären weniger einschneidende Maßnahmen möglich gewesen, die im Ergebnis einen besseren Schutz ermöglichen würden als die zu weit geratene Kennzeichnungspflicht, welche Markt und Verbraucher verunsichern.

Am 12. Mai 2022 stand die erste mündliche Verhandlung vor dem Europäischen Gericht in Luxemburg an, bei der die Kläger ihre Argumente noch einmal zu Gehör bringen konnten. Die Europäische Kommission und die Europäische Chemikalien Agentur (ECHA) erläuterten, warum sie die Regelungen für zulässig halten.

Während der Verhandlung hinterfragte das Gericht insbesondere die wissenschaftliche Grundlage der Einstufungsentscheidung und der Kennzeichnungspflichten. Kommende Woche steht die zweite mündliche Verhandlung zur Klage der Titandioxidhersteller an. Mit einer gemeinsamen Entscheidung des Europäischen Gerichts aller drei Rechtssachen ist frühestens im Herbst 2022 zu rechnen.

20.5.2022

EU-Kommission stuft Titandioxid trotz Kritik ein

Die Europäische Kommission hat am 4. Oktober 2019 entschieden, das Weißpigment Titandioxid in Pulverform als einen Stoff „mit Verdacht auf krebserzeugende Wirkung beim Menschen“ durch Einatmen (kanzerogen Kategorie 2) einzustufen. Die Einstufung soll auch für pulverförmige Gemische gelten, deren Partikel Titandioxid enthalten. Außerdem sollen flüssige Gemische, zB Lacke, Farben und Druckfarben, auf ihrer Verpackung einen Warnhinweis bezüglich Sprüh-Anwendungen enthalten, selbst wenn sie nicht für Sprühanwendungen geeignet sind. Sollten weder der Rat noch das Europäische Parlament innerhalb von zwei Monaten Einspruch gegen die Entscheidung einlegen, würde sie 20 Tage nach Veröffentlichung im Amtsblatt der EU in Kraft treten. Rechtlich verbindlich würden Einstufung und Warnhinweise nach Ablauf einer Übergangsphase von 18 Monaten, das heißt voraussichtlich ab Sommer 2021.

Die österreichische Lack- und Anstrichmittelindustrie ist davon überzeugt, dass Titandioxid in ihren Produkten sicher ist. Die Branche wird sich daher weiter dafür einsetzen, dass Titandioxid unter Berücksichtigung der gesetzlichen Gesundheits- und Arbeitsschutzstandards nicht als Gefahrstoff eingestuft wird. Sie hat angekündigt, die Kommissionsentscheidung rechtlich überprüfen zu lassen. „Die CLP-Klassifizierung ist für Stoffe gedacht, die aufgrund ihrer individuellen Eigenschaften gefährlich sind“, sagte Martin Engelmann vom Verband der Lack- und Druckfarbenindustrie (VdL) und fügte hinzu, dass es "ernsthafte Zweifel" an der Rechtmäßigkeit des Kommissionsvorschlags gebe. Da das Expertengremium RAC in seiner Stellungnahme eine intrinsische Gefahr durch Titandioxid "im klassischen Sinne" verneint habe, sei die Kommission gesetzlich verpflichtet gewesen, zurück zum RAC zu gehen und um Klärung der regulatorischen Antwort zu bitten, sagte er. Außerdem hätte die Kommission andere Optionen wie eine Harmonisierung der Staubgrenzwerte am Arbeitsplatz bewerten sollen.

Titandioxid ist der mit Abstand wichtigste Rohstoff der Lack-, Farben- und Druckfarbenindustrie. Gleichwertige Alternativen gibt es nicht. Hintergrund für die Einstufung ist die Befürchtung, dass Arbeiter an Lungenkrebs erkranken könnten, wenn sie bei der industriellen Herstellung und Verarbeitung Staubemissionen ua von Titandioxid ausgesetzt sind. Die Kommissionsentscheidung stützt sich auf eine mehr als 20 Jahre alte Studie, bei der Ratten über einen sehr langen Zeitraum staubförmiges Titandioxid einatmen mussten. Die dabei festgestellte Reaktion ist allerdings nicht stoffspezifisch für Titandioxid, sondern charakteristisch für eine Vielzahl von Stäuben. Es gibt in dieser oder anderen Studien keine Hinweise auf eine Gefahr für Menschen. Im Gegenteil: Untersuchungen über Jahrzehnte an ca. 24.000 Arbeitern, ua in Deutschland, haben kein erhöhtes Risiko für eine Tumorentwicklung festgestellt. Es liegt kein einziger Fall einer anerkannten Berufskrankheit aufgrund von Titandioxid vor. Dies liegt auch an den strengen Staubgrenzwerten am Arbeitsplatz, die in den meisten EU-Mitgliedstaaten gelten und auf Titandioxidpulver und titandioxidhaltige Pulvergemische anwendbar sind.

Dieses Gefahrensymbol gilt ab Sommer 2021 für Titandioxid in Pulverform und pulverförmige Gemische mit Titandioxid.



Der Ausschuss für Risikobeurteilung (RAC) der Europäischen Chemikalienagentur hat auf Basis einer wissenschaftlichen Gefahrenbewertung empfohlen, das Weißpigment Titandioxid als einen Stoff „mit Verdacht auf krebserzeugende Wirkung beim Menschen“ durch Einatmen (kanzerogen Kategorie 2) einzustufen. Die Entscheidung über eine Einstufung liegt nun beim REACH-Regelungsausschuss unter Federführung der Europäischen Kommission und wird im Sommer 2018 erwartet.

Keine Gefahr für Menschen – Einstufung daher nicht gerechtfertigt

Hintergrund für die Empfehlung ist die Befürchtung, dass Arbeiter an Lungenkrebs erkranken könnten, wenn sie bei der industriellen Herstellung und Verarbeitung Staubemissionen u.a. von Titandioxid ausgesetzt sind. Die Empfehlung stützt sich auf eine mehr als 20 Jahre alte Studie, bei der Ratten über einen sehr langen Zeitraum staubförmiges Titandioxid einatmen mussten. Die dabei festgestellte Reaktion ist nicht stoffspezifisch für Titandioxid, sondern charakteristisch für eine Vielzahl von Stäuben. Es gibt in dieser oder anderen Studien keinerlei Hinweise auf eine Gefahr für Menschen. Im Gegenteil: Untersuchungen über mehrere Jahrzehnte hinweg an circa 24.000 Arbeitern in 18 Titandioxid-Fabriken, u.a. in Deutschland, haben kein erhöhtes Risiko für eine Tumorentwicklung festgestellt. Folglich liegt auch den Berufsgenossenschaften in Deutschland kein einziger Fall einer anerkannten Berufskrankheit aufgrund von Titandioxid vor.

Titandioxid ist einer der wichtigsten Rohstoffe in Farben und Lacken

Die Lack- und Druckfarbenindustrie ist mit 57% der größte Abnehmer von Titandioxid. Titandioxid wird Farben als Pigment zugegeben und ist danach fest in die Bindemittel-Matrix eingebunden. Es kann daher gar nicht eingeatmet werden. Aufgrund des hohen Licht-Streuvermögens seiner Kristalle hat Titandioxid die höchste Deckkraft aller Weißpigmente und ist bei der Herstellung von weißer Wandfarbe und Buntfarbtönen unverzichtbar. Gleichwertige Alternativen gibt es nicht.

Eine Einstufung als vermutlich krebserzeugend Kategorie 2 hätte weitreichende Konsequenzen:

Farben müssten mit dem Hinweis „Kann vermutlich Krebs erzeugen“ gekennzeichnet werden, was eine erhebliche Verunsicherung der Verbraucher zur Folge hätte. Zudem wären Farbreste und andere Abfälle ab einem Titandioxid-Anteil von 1% als „gefährlicher Abfall“ zu behandeln, was die Entsorgungskosten erheblich steigern würde. Titandioxidhaltige Druckfarben für Lebensmittelverpackungen könnten verboten werden. 

Die österreichische Lackindustrie schlägt daher vor:

Keine Einstufung von Titandioxid als kanzerogen

Titandioxid wird in unserer Industrie seit Jahrzehnten sicher verwendet. Es gibt keinen wissenschaftlichen Beleg, der auf eine krebserzeugende Wirkung beim Menschen hindeutet. Außerdem ist das CLP-Einstufungsverfahren der falsche Prozess: CLP dient der Einstufung von Stoffen, die aufgrund ihrer „intrinsischen“, das heißt individuellen (chemischen) Eigenschaft gefährlich sind, nicht jedoch – wie in diesem Fall – für partikelbedingte (physikalische) Effekte.

  • Europäische Harmonisierung der Staubgrenzwerte am Arbeitsplatz

Die diskutierten Risiken beruhen allein auf einer inhalativen Staubexposition. Der Schutz vor Staubemissionen ist ein Arbeitsschutz-Thema und wird in den meisten EU-Mitgliedstaaten durch einen Staubgrenzwert am Arbeitsplatz sichergestellt. Deutschland ist hier Vorreiter. Statt der vorgeschlagenen Einstufung von Titandioxid sollte daher besser z.B. über eine Harmonisierung der Staubgrenzwerte in Europa nachgedacht werden.

Downloads zum Thema Titandioxid: Mit freundlicher Genehmigung des Verbands der deutschen Lack- und Druckfarbenindustrie!

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Titandioxid-Spezial